Ultranationalisten in Holland: Er will zusammen mit Putin gegen bösartige Reptilien kämpfen
Der niederländische Populist Thierry Baudet und sein Forum für Demokratie radikalisieren sich zusehends. Experten halten die Partei inzwischen für eindeutig faschistisch.
Thomas Kirchner
Publiziert: 02.11.2022, 11:24
Während europaweit über die faschistischen oder neonazistischen Wurzeln von Parteien wie den Fratelli d’Italia oder den Schwedendemokraten debattiert wird, ist im niederländischen Parlament längst eine echte faschistische Partei vertreten: das Forum für Demokratie mit seinem Gründer Thierry Baudet an der Spitze. Was von Baudet und seinen Leuten besonders in jüngster Zeit zu hören war, lässt sich kaum noch anders als mit dem F-Wort beschreiben.
Das zumindest denkt ein in den Niederlanden grosser Teil der linken bis liberalen politischen Öffentlichkeit. Baudet selbst bietet Anlässe en masse für eine entsprechende Charakterisierung. Seine Partei stellt derzeit nur fünf Abgeordnete. Erst seit 2016 in der Politik, hat der Ultranationalist Baudet sich über die Jahre radikalisiert und weit entfernt vom demokratischen Konsens. Wobei viel dafür spricht, dass er schon immer so dachte und erst jetzt sein wahres Gesicht zeigt. Seine Auslassungen sind schon länger gespickt mit rassistischen und antisemitischen Topoi, die auf der Grundidee fussen, dass es ein von Juden befördertes oder gar organisiertes Komplott westlicher Eliten zur Beherrschung der Welt gebe.
Völlig abgedreht
Wenn Baudet vor angeblichen Plänen einer «homöopathischen Verdünnung» der niederländischen Bevölkerung warnt oder die «boreale» (nördliche) Welt in Gefahr wähnt, ist das klassisches Dogwhistling: Hundepfeifentöne, die Identitäre und andere Rechtsextremisten hören können. Sein Verhältnis zur Wahrheit scheint rein instrumentell zu sein, er bestreitet die vielfach dokumentierte russische Schuld am Absturz des Flugs MH17, den menschengemachten Klimawandel und viele weitere Fakten.
Seit der Corona-Pandemie und nun dem Krieg in der Ukraine dreht sich das Baudet-Karussell in wahnwitziger Geschwindigkeit. Das Virus hält der 39-Jährige für völlig ungefährlich, in den Schutzmassnahmen sieht er den Versuch, eine digitale «Diktatur» zu errichten. Seine grosse Sympathie für Wladimir Putin, die er schon oft bekundet hat (er wird enger Bande nach Moskau verdächtigt), spitzte er in einem Interview kürzlich zu: Er sei ein «Fan» des russischen Präsidenten, «wir müssen tun, was immer wir können, um ihn zu unterstützen». Ja, er glaube an «Verschwörungstheorien», sagte er, «ich glaube, wir werden von einer globalen Verschwörung bösartiger Echsen regiert», und Putin sei «der einzige Global Player, der dagegenhält». Die Reptilien-Theorie, eine antisemitische Erzählung, stammt von dem britischen Rechtsextremisten David Icke.
Manche Parlamentarier, aber auch alte Weggefährten halten Baudet inzwischen für völlig abgedreht, zweifeln gar an seiner Zurechnungsfähigkeit. Andere meinen, der Mann wisse exakt, was er tue. Tatsächlich forderte Baudet vor Jahren in einer Art Manifest zu genau solchen Provokationen auf, um die neue Partei nach oben zu bringen. Seine Mitstreiter im Forum haben das verinnerlicht. Pepijn van Houwelingen, ein Hardcore-Identitärer, kündigte im Parlament «Tribunale» an, die auf politische Gegner warteten. Noch perfider agierte kürzlich Gideon van Meijeren, der mit der Kamera ins Büro einer renommierten Berichterstatterin zog und sie als «lügnerische Kanalratte» beschimpfte. Weitere «Demaskierungen», sprich: Einschüchterungen von Journalisten, würden folgen. Neben dem Journalistenverband empörte sich auch Ministerpräsident Mark Rutte, der von einem «neuen Tiefpunkt» sprach.
«Zeit für ein Parteiverbot»
Wie immer spielen Baudet und seine Truppe hinterher die verfolgte Unschuld. Das mit den Echsen sei doch nur im übertragenen Sinne gemeint, sagte Baudet und verwies auf den Eintrag im Lexikon. Van Meijeren rechtfertigte sich mit dem Hinweis, im Fernsehen habe jemand zur «Liquidierung» Baudets aufgefordert. Hinter der sprachlichen Mimikry erkennen Experten in solchen Äusserungen und Verhaltensmustern eindeutige Merkmale faschistischer Bewegungen. Was Baudet mache, sei nicht lustig.
Was daraus folgt? Am weitesten ging Geerten Waling, ein früherer Kumpel Baudets: «Zeit für ein Parteiverbot wegen Landesverrats und antidemokratischer Drohungen.» Es sei auch zu erwägen, Baudet aus dem Parlament zu werfen. Andere warnen davor, dem Politiker das Wort zu verbieten, schliesslich spreche er für einen gewichtigen Teil der Bevölkerung, der sich von Staat und Politik abgewandt habe. Geschehen ist bisher fast nichts.
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